Annekatrin war viel zu empört über die Zumutungen ihrer Familie, als dass sie sich über die Winzlinge hätte wundern können. - "Gnädiges Fräulein!", begann der Anführer der Heinzelmännchen, "Wir würden sehr gern mit Ihnen in Verhandlung treten, so Sie in Ihrer Güte es uns gestatten." - "Ich gestatte!", maulte Annekatrin "Aber fangt ihr nicht auch noch von Kostümen an!" - Die Heinzelmännchen schreckten unmerklich zurück. Nachdem sie einen Moment die Köpfe zusammengesteckt und miteinander getuschelt hatten, nickten sie sich zu. Dann trat ihr Sprecher wieder hervor. Er räusperte sich und begann mit belegter Stimme: "Nun, ehm, ja, - um Kostüme geht es uns schon..." Annekatrin hob nur die linke Augenbraue, hörte aber doch den höflichen Wichteln geduldig zu. - "Schauen Sie, Fräulein, man hat uns vor vielen, vielen Jahrhunderten verschreckt. Die Geschichte ist Ihnen bekannt. Auch leben Sie ja in selbigem Hause und sind eine Nachfahrin jener unglückseligen, überneugierigen Frau Schneiderin, von der Herr Kopisch berichtet hat. Seit jener Nacht, die in die Lesebücher eines jeden Kölner Kindes eingegangen ist, sind wir gezwungen, in Schatten und Dunkelheit zu leben. Das ging eine Weile gut. Doch nun ist es fast überall zu hell. Wir wissen nicht mehr, wie wir unsere Besorgungen machen und wann wir unsere Verwandten besuchen können. Überall leuchtet Licht. Notbeleuchtungen, Reklamen, Ampeln und Straßenlaternen stellen für unsereins große Gefahren dar. Jeder in Köln weiß, wer wir sind, wir sind bekannt. Und als tüchtige, fleißige Handwerker sind wir sehr gefragt. Man würde uns fangen, wir müssten Sklavenarbeiten tun. Unser Volk fürchtet sich zurecht und traut sich nicht heraus." - "Aber was kann ich denn für euch tun?", fragte Annekatrin, die bei diesen überraschenden Neuigkeiten ihren Kummer ganz und gar vergessen hatte. - "Schauen Sie mal,", sagte das Heinzelmännchen, "Sie beklagen, dass sie zu viele Kostüme haben, wo Sie doch gar keines wollen. Wir aber haben kein einziges Kostüm, obwohl wir sehnlichst solche wünschen." - Und dann erzählten sie Annekatrin wie es den Heinzelmännchen nicht möglich ist, irgendetwas zu schneidern, was dem, der es tragen soll, nicht passt. Für Annekatrin konnten sie nur Annekatrinsachen machen, für kleine Hunde nur Kleinehundemäntel und für Heinzelmännchen eben nur Heinzelmännchentrachten. Klar würde jeder sie daran erkennen, einfangen und für sich arbeiten lassen. Welch grausames Schicksal wäre das. Wäre es aber Annekatrins sehnlicher Wunsch als Kölner Kind die Heinzelmännchen zum Kölner Karneval einzuladen, so könnten sie sich zu diesem Fest alles mögliche an Verkleidungen fertigen. Endlich könnten sie einmal unerkannt unter Menschen gehen. Sie könnten ihre Verwandten nach langer Zeit wieder besuchen. Sie könnten die vielen kleinen Dinge besorgen, die sie in ihren Haushalten brauchten und frische Luft, Licht und Freude genießen. Das alles wäre möglich allein durch Annekatrins Wunsch. - "Aber sicher wünsch ich mir das,", rief Annekatrin "wenn ich euch damit eine so große Freude machen kann! Da hat doch der Karneval endlich mal einen Sinn!" Sie wollte gleich alle Kostüme holen, die sie dieses Jahr tragen sollte und die sie in den vergangenen Jahren getragen hatte und auch die alten Kostüme von Oma und Papas und Mamas dazu. - "Hauptsache ich muss nicht selber verkleidet gehen", seufzte sie und fiel wieder in ihre grüblerische Stimmung. - "Aber als was willst du denn dann gehen?", fragten die Heinzelmännchen "Es ist doch Karneval!" - "Ach,", brummte sie "am liebsten wäre ich unsichtbar! Den ganzen Karneval über sollte mich gar keiner sehen! Ich will nun mal nichts sein, was ich nicht bin!" - "Hmm!", sagte da ein alter Heinzelmann, der sich wegen einer Schwäche in den Beinen auf einen Stein gesetzt hatte. "Ich glaube, ich hab da was, das dir helfen kann." |